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... im Januar 2023

Nr. 4: "Guten Morgen, du Schöner: Begegnungen mit ostdeutschen Männern" von Greta Taubert


Herausgeber ‏ : ‎ Aufbau Verlag; 1. Edition (10. März 2020)
Sprache ‏ : ‎ Deutsch
Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 249 Seiten
ISBN-10 ‏ : ‎ 3351034644
ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3351034641

Inhaltsangabe:

Der Ostmann sächselt, wählt AfD und pöbelt tumb durch Deutschlands Straßen. Dieses Bild vermitteln uns die Medien und es ist mehr als an der Zeit, damit aufzuräumen. In Anlehnung an Maxie Wanders Klassiker „Guten Morgen, du Schöne“ (1977) gibt die junge, ostdeutsche Journalistin Greta Taubert den Ostmännern von heute eine Stimme. Sie sind zwischen Mitte dreißig und Ende fünfzig, sprechen über das Mannsein, über Gleichberechtigung, über die Suche nach sich selbst und die Prägungen durch die Umbrucherfahrung. Greta Taubert ist von Osten nach Westen, von Norden nach Süden gereist und hat sich mit vielen Männern unterhalten. Ihr Buch ist eine charmante und spannende Annäherung an den zu Unrecht unterschätzten „Ossiboy“.


Autoreninfo:

Greta Taubert ist Reporterin und Autorin in Leipzig. Sie schreibt u. a. für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, das SZ Magazin, Die Zeit und die taz. Als Buchautorin veröffentlichte sie die Titel "Apokalypse Jetzt" (2014) und "Im Club der Zeitmillionäre" (2016), in denen sie unterschiedliche Gesellschaftsutopien untersucht und ausprobiert.


Meine Meinung:

Titel: Wie ist er so, der Ostmann?

Über dieses Buch bin ich eher zufällig gestolpert als darüber im TV berichtet wurde. Gespannt habe ich mit der Lektüre begonnen und schnell gemerkt: Hier werde ich abgeholt, nicht nur im Bezug auf die dargestellten Männer, sondern auch auf meine Kindheit in der DDR.

Greta Taubert interviewt in ihrem Buch Männer, die zwischen 30 und 60 sind, die als Ossiboys die Wende erlebt haben und was das mit ihnen gemacht hat. Sie hat eine bunte Auswahl getroffen, denn es sind nicht nur hetero Männer vertreten. Zudem sind sowohl Wendegewinner als auch -verlierer dabei, so dass man ein recht authentisches Bild erhält.

Die Jungs erzählen in eigenen Worten was sie erlebt haben und die meisten Geschichten haben mich doch sehr berührt und meine Augen nass werden lassen. Das Geschilderte deckt sich auch sehr mit meinen eigenen Erfahrungen. Der Ostmann lässt sich nicht in die Karten schauen, möchte der Beschützer und der Starke sein und hat angeblich keine schwache Seite. Dabei wissen wir doch alle, dass jeder Mensch Schwächen und Stärken hat und dazu einfach stehen sollte.

Durch das Sachbuch entsteht nach meinem Empfinden endlich mal ein Bild wie der ostdeutsche Mann wirklich tickt und nicht was die Printmedien den Menschen einreden wollen. Denn nur eine Minderheit der Jungs zählt zu den grölenden Wutbürgern, wählt rechts und hat keinen Respekt vor Frauen, aber das gibt es in den alten Bundesländern auch.

Taubert zeigt durch ihre Interviews, vielleicht unbewusst, wie das Aufwachsen in der DDR war und warum dieser Menschenschlag eben ein anderer ist, sowohl Männer als auch Frauen. Mir ergeht es sehr oft so, dass ich im Westen Deutschlands oder im Ausland unterwegs bin und wenn ich dann Menschen kennenlerne, mit denen es direkt matcht, dann kommen auch sie aus der DDR und eine unbewusste Verbundenheit ist da.

Fazit: Wer einen Blick hinter die Fassade wagen will, der muss hier unbedingt reinschauen. Intensiv, unterhaltsam und vor allem augenöffnend. Klasse!

Bewertung: 5/ 5 Sternen

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Nr. 3: "Liebewesen" von Caroline Schmitt


Herausgeber ‏ : ‎ Eichborn; 1. Aufl. 2023 Edition (27. Januar 2023)
Sprache ‏ : ‎ Deutsch
Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 224 Seiten
ISBN-10 ‏ : ‎ 3847901303
ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3847901303

Inhaltsangabe:

Lios Körper ist ihr Albtraum, daran ändert auch ihr Freund Max nichts. Als sie ungeplant schwanger wird, starrt sie nicht nur fassungslos auf den positiven Test, weil jemand wie sie doch gar nicht schwanger werden kann, sondern auch auf das Ende einer mühsam erarbeiteten Normalität. Sie ist unfähig, Max von der Schwangerschaft zu erzählen, und genauso unfähig, diese zu beenden. Während das Kind in Lios Bauch wächst, prasseln Erinnerungen auf sie ein: an ihre kalte Mutter, ihren hilflosen Vater und an all das andere, das sie für immer vergessen wollte. Zum ersten Mal stellt sie sich ihrer Vergangenheit - und riskiert damit, dass alles zusammenbricht.

Autoreninfo:

Caroline Schmitt, Jahrgang 1992, studierte Journalismus an der University of the Arts London. Sie lebt in Berlin und arbeitet als freie Journalistin für Deutsche Welle, ZDF und funk. "Liebewesen" ist ihr erster Roman.


Meine Meinung:

Titel: Das wahre Gesicht der Liebe...

Der Roman wurde mir sehr empfohlen und selten habe ich so schnell ein Buch durchgesuchtet wie dieses. Einfach nur wow. Das Lesen fühlte sich an wie eine Ohrfeige, die einen immer wieder und wieder hart im Gesicht trifft.

Lio hat es nicht so mit Männern und der Liebe und dennoch lässt sie sich auf Max ein. Beide haben so ihre Wehwehchen, aber diese lassen sich zusammen besser aushalten als alleine. Als sie schwanger wird, stellt das ihr Leben auf den Kopf. Soll sie es ihm sagen? Will sie das Kind? Und ist man überhaupt in der Lage ein Kind großzuziehen, wenn einem das eigene Leben bereits so schwer fällt?

An dem Roman hat mir vor allem gefallen, dass er nicht mit Fantasiegebilden zum Thema Beziehung und Liebe daher kommt, sondern schonungslos aufzeigt wie schmerzhaft das sein kann und wie nah Freude und Leid nun einmal bei einander sind.

Auch wenn Lio und Max keine einfachen Charaktere sind, so habe ich sie doch als sehr echt empfunden und konnte ihre Gedanken und Probleme sehr gut nachvollziehen. Der Roman verdeutlicht sehr intensiv wie die Zeiten heute nun einmal sind.

Am meisten bedrückt haben mich die Infos zur Entwicklung des Embryos und dass man als Leser weiß, dass es für den kleinen Wurm kein gutes Ende geben wird.

Im Buch wird gegendert und das hat mich beim Lesen so gar nicht gestört, sondern es fühlte sich einfach enorm natürlich und richtig an.

Der nüchterne und cleane Schreibstil Schmitts sorgt dafür, dass die harten Schicksalsschläge sich noch intensiver anfühlen als eh schon.

Auf jeden Fall keine leichte Kost, die man da zu lesen bekommt und dennoch so wichtig. Man fühlt sich verstanden und dass eben die sozialen Medien und Filme eben nicht das echte Leben darstellen und deswegen nicht angestrebt werden müssen. Jeder muss lediglich seinen Weg finden und der kann dem einen richtig, dem anderen falsch erscheinen.

Wenn das Jahr mit so einem tollen Debüt startet, dann bin ich schon sehr gespannt, was das Lesejahr 2023 alles noch so Tolles zu bieten hat.

Fazit: Ein vielversprechendes Debüt, das hoffentlich ganz viele Leser finden wird. Spitzenklasse! Bleibt bei mir gewiss sehr lange im Kopf.

Bewertung: 5/ 5 Sternen

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Nr. 2: "Die Bücher, der Junge und die Nacht" von Kai Meyer


Herausgeber ‏ : ‎ Knaur HC; 2. Edition (2. November 2022)
Sprache ‏ : ‎ Deutsch
Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 496 Seiten
ISBN-10 ‏ : ‎ 3426227843
ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3426227848

Inhaltsangabe:

Dichter Nebel wogt durch die Gassen der Bücherstadt Leipzig, 1933, als das Böse die Macht ergreift. Hier entspinnt sich die tragische Liebe des Buchbinders Jakob Steinfeld zu einer rätselhaften jungen Frau. Juli hat ein Buch geschrieben, das sie einzig ihm anvertrauen will. Doch bald darauf verschwindet sie spurlos.

Fast vierzig Jahre später ist auch Jakobs Sohn Robert den Büchern verfallen und reist auf der Suche nach seltenen Ausgaben durch ganz Europa. Er liebt seine Arbeit und die Bücher – von Menschen hält er sich meist eher fern. Doch als die Bibliothekarin Marie ihn bittet, ihr bei einem Auftrag der geheimnisumwitterten Verlegerfamilie Pallandt zu helfen, stoßen sie auf das Mysterium eines Buches, dessen Geschichte eng mit Roberts eigener verknüpft ist – es ist der Schlüssel zum Schicksal seiner Eltern.

Autoreninfo:

Kai Meyer hat bislang rund sechzig Romane veröffentlicht, Übersetzungen erscheinen in dreißig Sprachen. Seine Geschichten wurden als Film, Hörspiel und Graphic Novel adaptiert und mit Preisen im In- und Ausland ausgezeichnet

Meine Meinung:

Titel: Liegt es an mir?

Ich bin leider etwas traurig, denn vor der Lektüre erschien mir dieser Titel wie das perfekte Buch für mich. Vom tollen Kai Meyer geschrieben, der mich mit einigen Jugendbüchern schon gut unterhalten hat. Die Bücherstadt Leipzig in einer düsteren Zeit, die mich seit meiner Teenagerzeit fasziniert und dennoch wollte der Funke nicht so recht überspringen und ich frage mich: Ist es nicht der richtige Zeitpunkt, dass der Roman und ich zusammen gefunden haben, liegt es am Buch oder an mir?

In der Geschichte geht es um Robert Steinfeld, der wenig über seine Kindheit weiß und erst recht nichts über seine Eltern. Als seine Bekannte, die Bibliothekarin Marie, einen besonderen Auftrag erhält und dabei auf etwas aus Roberts Vergangenheit stößt, begeben sie sich auf Spurensuche. Werden sie das Geheimnis lüften können?

Zunächst einmal hat mich die Art der Erzählweise sehr stark an Carlos Ruiz Zafon erinnert, dessen Bücher ich ungemein gern gelesen habe und was sehr dafür spricht diesen Roman zu lesen.

Auch fand ich es ungemein spannend wieviel man über die Stadt Leipzig erfährt. Ich war schon sehr oft dort, aber vom Graphischen Viertel wusste ich eigentlich nichts. Immer wieder habe ich neben der Lektüre online dazu recherchiert, weil es mich so interessiert hat.

Die Sprünge zwischen den Zeiten, den mal bewegt sich der Leser 1933, mal 1943 und mal in den 70ern, waren immer schlüssig und nachvollziehbar. Man wusste als Leser immer wen man gerade begleitet. Na klar wurden spannende Szenen durch die Wechsel unterbrochen, aber das steigerte eher den Spannungsbogen.

Klingt eigentlich alles perfekt, oder?

Und dennoch hatte ich ein großes Problem: der Funke sprang irgendwie nicht über und so richtige Lust zum Lesen kam nicht auf und ich weiß leider gar nicht woran genau es liegt, weil alles dagegen spricht, dass es mir so ergangen ist und dennoch ist es passiert. Normalerweise wäre ich bei den Themen Feuer und Flamme und könnte gar nicht mehr aufhören mit Lesen bis die letzte Seite erreicht ist, aber hier war diese Magie einfach nicht da.

Fazit: Ein Buch, was alles hat was ein neugieriger Leser braucht. Mich hat es dieses Mal nicht erreicht und dennoch möchte ich es gern empfehlen. Ich werde mit etwas Zeitabstand vielleicht nochmal einen zweiten Versuch starten, vielleicht liegt es auch einfach nur an mir.

Bewertung: 4/ 5 Sternen

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Nr. 1: "Zehn Millionen Kinder - Die Erziehung der Jugend im Dritten Reich" von Erika Mann


Herausgeber ‏ : ‎ Rowohlt Taschenbuch; 9. Edition (1. Oktober 1997)
Sprache ‏ : ‎ Deutsch
Taschenbuch ‏ : ‎ 224 Seiten
ISBN-10 ‏ : ‎ 3499221691
ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3499221699
Originaltitel ‏ : ‎ School for Barbarians. Education under the Nazis

Inhaltsangabe:

Das vorliegende Buch behandelt die Erziehung der Jugend im Dritten Reich. In drei großen Kapiteln - Familie, Schule, Jugendorganisation - untersucht Erika Mann, wie in Nazi-Deutschland die Kinder und Jugendlichen auf ihre Rolle in der Diktatur eingeschworen wurden. "Zehn Millionen Kinder" erschien erstmals 1938 und erregte internationales Aufsehen: als aufklärende Schrift über die wahren Verhältnisse in Hitlers "Tausendjährigem Reich". Heute ist das Buch ein klassisches Dokument der Zeitgeschichte - und zugleich ein bewegendes Stück Exilliteratur. 

Autoreninfo:

Erika Mann wurde am 9. November 1905 in München geboren. Sie arbeitete zunächst als Schauspielerin und Journalistin. Anfang 1933 gründete sie in München das Kabarett "Die Pfeffermühle"; wenige Wochen später ging sie mit der gesamten Truppe ins Exil. Ab 1936 lebte sie überwiegend in den USA, als Vortragsrednerin und Publizistin. Während des Zweiten Weltkriegs wirkte sie unter anderem an den Deutschland-Programmen der BBC mit und war Kriegsberichtserstatterin für die Alliierten. 1952 kehrte sie mit den Eltern zurück nach Europa. Am 27. August 1969 starb sie in Zürich.

Meine Meinung:

Titel: Schonungslos aufklärend...

Das Thema 2. Weltkrieg und Judenverfolgung interessiert mich, seitdem ich davon im Geschichtsunterricht hörte und die Frage, die mich immer am meisten beschäftigt hat: Wie konnte es dazu kommen? Und genau hier in diesem schmalen Buch erfahren wir etwas dazu.

Das Besondere an dem Buch ist wohl, dass es bereits 1938 zum ersten Mal erschienen ist und nicht alle Gräueltaten bis dahin vollzogen worden sind, so dass das Geschilderte einen sehr objektiven Charakter hat, was man bei Erika Mann, die leider ins Exil musste, vielleicht nicht erwarten würde.

Ich mochte besonders, dass die Autorin ihre Thesen stets mit Beispielen aus damaligen Büchern und Zeitschriften unterstreicht, damit man am eigenen Leib spürt wie damals die Kinder und Jugendlichen manipuliert worden sind. Und man bekommt Gänsehaut beim Lesen, denn man fragt sich: Hätte das bei mir ebenso geklappt?

Erika Mann beleuchtet sehr intensiv wie durch die Manipulation des Kindes, der Familie in der es lebt und der Veränderung der Schulen und das Einführen von Verbünden ein Netz gestrickt wird, in dem man nur das lernt, was sich nach damaliger Ansicht gehörte. Und wenn dir die Hälfte an Wissen, wenn nicht sogar mehr fehlt, dann glaubst du auch irgendwann was dir gesagt wird.

Am meisten bedrückt hat mich das Militärische, sprich dass bereits kleine Kinder zu Kämpfern ausgebildet wurden. Wieviel Angst muss man haben, wenn man zum Marschieren gezwungen und zu Härte erzogen wird? Von unbeschwerter Kindheit kann da keine Rede sein. Und so verwundert es auch kaum, dass meine Großelterngeneration immer etwas Bedrohliches für mich ausgestrahlt hat, auch wenn sie mich stets fürsorglich behandelt haben.

Ebenfalls berührt hat mich, wie durch diese Lehren die Frau wieder nur eins ist: Mutter, Hausfrau und Rückgrat des deutschen Mannes.

Auch wenn dieses Buch sich nicht unbedingt leicht lesen lässt und durchaus schwere Kost ist, so sollte man es sich keinesfalls entgehen lassen. Ich wusste schon viel über diese Thematik und dennoch hatte ich so viele erhellende Momente.

Fazit: Gerade in der heutigen Zeit, wo rechtsextreme Ströme wieder in Fahrt kommen, ist solch ein Sachbuch umso wichtiger. Mich hat es sehr nachdenklich gestimmt und bedrückt mich auch noch nach der Lektüre. Lesenswert auf jede erdenkliche Weise!

Bewertung: 5/ 5 Sternen