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Donnerstag, 28. Juli 2022

Rezension Lilly Bernstein

"Findelmädchen: Aufbruch ins Glück" von Lilly Bernstein


Herausgeber ‏ : ‎ Ullstein Taschenbuch; 1. Edition (28. Juli 2022)
Sprache ‏ : ‎ Deutsch
Taschenbuch ‏ : ‎ 592 Seiten
ISBN-10 ‏ : ‎ 3548065686
ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3548065687

Inhaltsangabe:

Köln 1955: Die 15-jährige Helga und ihr Bruder Jürgen leben endlich wieder bei ihrem aus russischer Kriegsgefangenschaft heimgekehrten Vater. Von der Mutter fehlt seit Kriegsende jede Spur. Der Vater baut sich mit einem Büdchen eine neue Existenz auf, Jürgen beginnt bei Ford. Helga aber, die sich nichts sehnlicher wünscht, als aufs Gymnasium zu gehen, soll sich in der Haushaltungsschule auf ein Leben als Ehefrau vorbereiten. Während eines Praktikums im Waisenhaus muss sie entsetzt mit ansehen, wie schlecht die Kinder dort behandelt werden. Schützend stellt sie sich vor ein sogenanntes "Besatzerkind". Und sie verliebt sich. Doch die Schatten des Krieges bedrohen alles, was sie sich vom Leben erhofft hat …

Autoreninfo:

Lilly Bernstein ist das Pseudonym der Kölner Journalistin und Autorin Lioba Werrelmann, deren Debütroman Hinterhaus 2020 mit dem Friedrich-Glauser-Preis ausgezeichnet wurde. Sie stammt aus einer Bäckersfamilie und wuchs zwischen Laden und Backstube auf. Ihre Mutter ist ebenfalls Bäckerskind und hat die Nachkriegszeit noch in lebendiger Erinnerung. "Trümmermädchen - Annas Traum vom Glück" ist Lilly Bernsteins persönlichster Roman. Mit seiner Veröffentlichung geht für die Autorin ein Herzenswunsch in Erfüllung.

Meine Meinung:

Titel: Wie viel schaffst du zu ertragen?

Da ich gern Romane mit geschichtlichem Hintergrund lese, die während oder nach dem zweiten Weltkrieg spielen, war ich neugierig auf dieses Buch.

In der Geschichte geht es um die Geschwister Helga und Jürgen. Sie haben den Krieg in einem Kölner Bunker überlebt und leben nun in Frankreich. Jedwede Erinnerung an die Zeit während des Krieges ist verloren, zu schlimm wahrscheinlich die Erinnerungen. Als ein Schreiben vom Vater kommt, dass er frei sei, machen sich die beiden Kinder auf in ihre Heimatstadt Köln. Was wird dort auf sie warten? Werden sie ihr Glück finden oder von negativen Gefühlen überrannt werden? Und wird ihre geliebte Mutter auch wieder auftauchen?

Im Roman gibt es zwei Zeiten, die beleuchtet werden. Zum einen führt ein beobachtender Erzähler den Leser von Dezember 1954 bis Januar 1956 durch die Geschichte, zum anderen erleben wir durch Tagebucheinträge der Mutter die letzten Kriegstage mit. Gerade diese persönlichen Tagebucheinträge haben mir einen ordentlichen Schauer verursacht.

Die Hauptfiguren, egal ob Helga, ihr Bruder Jürgen, der Vater oder gar Fanny, die die Familie unterstützt, sind unglaublich tolle und herzensgute Menschen, die ihren Alltag und das Schicksal im Speziellen meistern müssen. Hier wird jeder Leser jemanden finden mit dem er sich identifizieren kann.

Der Fokus liegt jedoch auf Helga und das was von ihr verlangt wird. Man ist schon arg geschockt wie wenig aufgeklärt die jungen Frauen waren und wie wenig Rechte sie zugleich hatten. Der Mann bestimmte im Allgemeinen über alles und sobald etwas schief geht, muss die Frau dafür büßen.

Die Szenen im Kinderheim haben mich zutiefst geschockt und berührt. Hier hätte man den Nonnen gerne mehr als nur die Meinung gesagt. Wie soll aus den Kindern rechtschaffene Bürger werden, wenn sie nur Hass, Gewalt und Angst kennen?

Gelungen fand ich auch, dass viele politische Ereignisse und was sonst in der Zeit passiert ist ganz nebenbei eingestreut werden, so dass die Handlung nicht unterbrochen wird, man aber als Leser noch dazu lernen kann.

Die letzten fünfzig Seiten haben im Übrigen so viel Tempo, dass sich die Ereignisse überschlagen und ein Geheimnis nach dem anderen gelüftet wird. Das fand ich richtig klasse.

Der Roman hat mich gut unterhalten, auch wenn er etwas vorhersehbar war. Die Schreibe der Autorin liest sich angenehm und entspannend, so dass sich das Buch hervorragend zum Abschalten eignet, da man komplett in der Geschichte abtaucht.

Einzig schade fand ich, dass nicht alles einen richtigen Abschluss findet. Da fällt jemand von der Treppe und dann? Ist diese Person tot und muss die Polizei kommen? Das wurde gar nicht thematisiert, sondern die böse Person ist weg und gut. Das fand ich irgendwie seltsam.

Fazit: Eine schöne Geschichte mit sympathischen Figuren, die ich gern gelesen habe. Hier spreche ich eine Leseempfehlung aus. Gelungen!

Bewertung: 4/ 5 Sternen